Corona und die Demokratie

von E.Bartsch
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Eine einschneidende Ereigniskette teilte in der jüngeren Vergangenheit das herr­schende Demokratieverständnis in ein „Davor“ und ein „Danach“.

Die Corona­-Pandemie bot einer Generation von Politiker/innen mit teils zweifelhaftem Berufsethos den perfekten Rahmen für die Neubelebung autoritärer Vorgehensweisen innerhalb einer Staatsform, die darauf gründet, Regierenden keine Eingriffe in die Grund­- und Freiheitsrechte der Bevölkerung zu erlauben.

Selbst für Ausnahmezustände, die aus Sicher­heitsgründen strengere Regeln verlangen, sieht die (z. B.) in Österreich geltende Gesetzgebung kei­neswegs ausgedehnte Zeitspannen in der Di­mension von vielen Monaten oder gar Jahren vor. Generell haben sich Regierende ganz besonders im Fall von Maßnahmen, die Eingriffe in Grund­- und Freiheitsrechte darstellen, vor der Bevölkerung zu verantworten – sprich: Im Anlassfall ist die Regierung verpflichtet, die Angemessenheit und Notwendigkeit solcher Vorgehensweisen nicht nur zu behaupten, sondern sie auch fundiert und wahrheitsgetreu begründen zu können. Als Voraus­setzung für das In­-Kraft­-Setzen staatlicher Ausnahmeregelungen dieser Art und Größenordnung gilt unter anderem, dass

  • Sinnhaftigkeit und Effektivität der Maßnahmen gegeben sind und
  • keine alternativen, weniger invasiven Strategien zur Verfügung stehen.

Angesichts der Einführung einer verpflichtenden Medikation (etwa einer Impfung) muss außerdem

  • deren Wirksamkeit belegt wie auch
  • die Notwendigkeit und Unbedenklichkeit si­chergestellt sein ­ zumal niemand zu einer Medikation gezwungen werden darf, die ihm oder ihr mehr Risiken als Nutzen bringt.

Unbequeme Schlagzeilen

Die Ende 2023 übermittelte Stellungnahme der EMA an das EU­-Parlament wirft ein unvor­teilhaftes Licht auf die Frage, wie die Wahrung demokratiepolitischer Sicherheitsbestimmungen – hier: im Rahmen der Corona­-Impfpolitik – gehandhabt wurde. Obwohl das Antwortschreiben der EMA (das mittlerweile online eingesehen werden kann) merklich das Bestreben trans­portiert, die Zulassung der Impfstoffe zu recht­fertigen und Impfrisiken zu bagatellisieren, musste darin offen eingestanden werden, dass

  • diese Impfung keinerlei Fremdschutz gewähr­leistet (und ein solcher von den zuständigen Prüfstellen auch nie bestätigt wurde)
  • diese Impfung keineswegs einen sicheren Schutz vor Ansteckung darstellt
  • politische Instanzen teilweise fahrlässig mit Impfempfehlungen und ­-vorschriften umge­gangen sind (auch, wenn dieses Phänomen im vorliegenden Schreiben mit dem Euphemismus der „Missverständnisse“ heruntergespielt wird) und
  • selbstverständlich Nebenwirkungen mit der Impfung einhergehen können (das Risiko einer Myokarditis oder Perikarditis ist beispielsweise ausdrücklich in den Produktinformationen ver­merkt)

Weitere brisante Informationen von öffentlicher Stelle kamen hinzu, als das Magazin „Multipolar“ die Offenlegung der Protokolle des RKI-Krisen­stabs über den Zeitraum von Januar 2020 bis April 2021 erfolgreich einklagte.

Unter anderem geht aus der Berichterstattung des besagten Magazins hervor, dass

  • die Protokolle, die im April 2023 vorgelegt wurden, stark zensiert worden waren (mit mehr als 1000 geschwärzten Passagen, ­ wobei selbst die Herausgabe dieser eingeschränkten Fassung vom Verwaltungsgericht Berlin er­zwungen werden musste) und
  • „[…] die im März 2020 vom RKI verkündete Verschärfung der Risikobewertung von ‚mäßig‘ auf ‚hoch‘ – Grundlage sämtlicher Lockdown­-Maßnahmen und Gerichtsurteile dazu – anders als bislang behauptet nicht auf einer fachlichen Einschätzung des Instituts, sondern auf der politischen Anweisung eines externen Akteurs* – dessen Name in den Protokollen geschwärzt ist“ beruhte.

*) Hinsichtlich des geschwärzten Namens handelte es sich lt. NDR, WDR und SZ nicht um einen ‚externen Akteur‘, sondern um Lars Schaade, den damaligen Vize und späteren Leiter des RKI. Dies jedoch entkräftet Paul Schreyers These der externen Einflussnahme in Bezug auf die Hochstufung des Risikos nicht, zumal RKI­-intern keine Unterlagen für diese Einstufung vorlagen.
Quelle: Aya Velázquez

Zwar ist der Gerichtsprozess um die Herausgabe dieser Unterlagen in weniger oder gar nicht ge­schwärzter Form vorerst noch nicht abgeschlossen (Stand: April 2024), doch ist selbst den zensierten Dokumenten – die mittlerweile jedermann zugäng­lich sind – zu entnehmen, dass die RKI­-interne Be­wertung (etwa des Corona­-Krisenstatus oder der erforderlichen Maßnahmen) in wesentlichen Punk­ten dem widerspricht, was der breiten Öffentlichkeit als „wissenschaftsbasiert“ kommuniziert wurde. Kritiker schließen politische Einflussnahme als Ursache für plötzliche und schwer nachvollzieh­bare 180­-Grad­-Drehungen im internen Diskurs des Krisenstabs jedenfalls nicht kategorisch aus. Dieser Verdacht kann sich zwar immer noch als unzutreffend erweisen, vorerst bleibt die Optik aber in den Augen vieler eine schiefe.

Alles nur „rechte“ Bauchgefühle?

Bereits vor der Veröffentlichung amtlicher Gegen­belege und noch während der Corona-Hochphase, in der sich kaum jemand kritisch zu Wort melden konnte, ohne medial zerfetzt zu werden, zeichnete sich anhand entsprechender politischer Manöver ab, inwiefern die oben genannten Voraus­setzungen für diese Verordnungspolitik gegeben waren. Der in Österreich damals verantwortliche Gesundheitsminister Mückstein trat beispielsweise just in dem Moment zurück, in dem er gefordert war, den eingangs erwähnten Nachweis (für die Notwendigkeit und Angemessenheit der Maßnah­menpolitik) zu liefern. Ein Antwortschreiben an den VfGH wurde zunächst hinausgezögert, konnte aber nicht verweigert werden. Trotz einigen Bemühens, das Ergebnis unter Verschluss zu halten, drang der Inhalt, ­ der dem Regierungskurs nicht gerade Rückenwind verlieh, ­ an die Öffentlichkeit. Mück­steins Nachfolger Rauch ruderte in der Maß­nahmenfrage bereits sukzessive zurück.

Neben einer bevormundenden Staatsführung, die für die Konsequenzen ihrer Verfügungen aber auch wieder nicht verantwortlich sein wollte, hatten kritische Stimmen während der Pandemie mit einem stringenten Rechts­-Framing zu kämpfen, das noch unterstrichen wurde, indem die (durchaus absehbare) Opposition aus der Bevölkerung ­jedenfalls weitestgehend ­ dem äußersten rechten Rand überlassen wurde. Die dadurch erzeugte Optik machte es politischen Akteuren kinderleicht, relevante Fragestellungen ohne inhaltliche Stel­lungnahme abzuschmettern. Eine Dynamik, die staatenübergreifend zu beobachten war. Geraume Zeit reichte es völlig aus, süffisant darauf zu verweisen, wer einen Antrag auf nähere Unter­suchung gestellt hatte – und schon musste nicht mehr gerechtfertigt werden, ob und inwiefern eine solche inhaltlich ihre Berechtigung gehabt hätte. Wie infantil und eindimensional es ist, eine be­stimmte Haltung in gesundheitlichen Fragen mit einer „rechten“ oder „linken“ Gesinnung gleichzu­setzen, machten sich – auf beiden Seiten des künstlich verengten Meinungskorridors – die Aller­wenigsten bewusst. Interessanterweise war es aber gerade jener Personenkreis, der in allen anderen Fragen des Lebens die Neigung zu „einfachen Lösungen“ und „starken Männern“ massiv kritisierte, der in dieser Sache fast kindlich­ naiv zur Einteilung der Gesellschaft anhand von plakativen Gut-­Böse­-Schemen neigte, wie sie ansonsten nur in Märchenbüchern und alten Hau­-Drauf-Filmen à la Bud Spencer zu finden sind.

Der schale Nachgeschmack

Nachträglich stellt sich die Frage: War es nicht von vornherein eine müßige Angelegenheit, dass sich zwei Menschengruppen, deren festgefahrene An­sichten eine gesundheitspolitische Patt­-Situation beschrieben, wie in einem Glaubenskrieg über den „einzig richtigen“ Umgang mit der Situation strit­ten? Sollte nicht vielmehr danach gefragt werden, inwiefern es demokratiepolitisch vertretbar war, sämtlichen Bürger/innen (vom Ungeborenen bis zum Greis) stark invasive medizinische Maß­nahmen normiert zu verordnen? Sollten wir uns nicht endlich die Frage stellen, worauf eine weltumspannende Kampagne abgezielt haben könnte, die die Missachtung rechtsstaatlicher Grundprinzi­pien plötzlich als etwas Gutes, ­ ja sogar als Bür­gerpflicht ­ propagierte? Fragt niemand danach, seit wann und warum es mit einem Mal so selbstverständlich erscheint, dass die „nächste Pandemie“ schon in der Türe steht und diese eine noch viel umfassendere und „unbürokratischere“ Maßnahmenpolitik erfordere? Interessiert es im Reigen der permanenten Aufreger irgendwen, wa­rum zwar Krankenhauspersonal, Lehrkräfte, Gas­tronomen, Selbständige, kleine Privatgrundbesitzer und mittlerweile sogar Kinder (Schüler/innen) … zunehmend in sinnloser Bürokratie versinken, während Instanzen, die Machtbefugnisse über ganze Staaten fordern, ihr Vorgehen immer weni­ger rechtfertigen müssen und selbst für verfas­sungsrechtliche Grenzüberschreitungen kaum noch ernst zu nehmende Hürden vorfinden? Will man mit so einer Gangart das Vertrauen in den Staat, v. a. in den Rechtsstaat, wiederherstellen?

Inwiefern kann das Verschanzen hinter sturen Haltungen bzw. die Sucht danach, Andersden­kende als Sündenböcke zu brandmarken, ­ insbe­sondere in Krisenzeiten ­ die Lage einer Ge­sellschaft verbessern? Dient es uns denn als Bevölkerung, gespalten zu bleiben und einander „aus Prinzip“ herabzuwürdigen?

Kann irgendjemand mit Fug und Recht behaupten, er oder sie wisse ohne jeden Zweifel, was für alle anderen das einzig Richtige sei? ­ Und: Gibt es überhaupt ein Szenario, in dem solchen Behaup­tungen jemals Rechnung getragen werden könnte? Gehörten nicht aus genau diesem Grund die Meinungsfreiheit und die freie Verfügung über den eigenen Körper bisher zu den unantastbaren Grundrechten innerhalb westlicher Demokratien?

BGE = Direkte Demokratie

Alle Zwanghaftigkeit in dieser Angelegenheit er­fasste die breite Bevölkerung genau genommen nicht mit dem Startschuss der Berichterstattung über ein gefährliches Virus, sondern erst durch eine fast hypnotische Überbetonung derselben und ihre Kopplung an existenziell relevante Parameter (Einsatz der Staatsgewalt gegen unbescholtene Bürger;  Instrumentalisierung von Behörden, Schu­len, Ämtern und Arbeitgebern zur flächendecken­ den Ausübung von Druck; Verpflichtung der breiten Bevölkerung zu sichtlich sinnlosen, aber einschnei­denden Routinen, um den Ausnahmezustand all­ gegenwärtig zu bekräftigen …).

Aus unserer Sicht hätte sich ein Bedingungsfreies Grundeinkommen wie sozialpolitischer Balsam auf diese Form der Machtausübung ausgewirkt. Auf der Grundlage eines solchen hätte eine Politik der Spaltung und der Repression von  vornherein keine Chance gehabt. Der Arm keines Lobbyisten, keiner Behörde, keines Staats, keines Konzerns etc. wäre lange genug gewesen, um existenziell unabhängi­ge Menschen zu irgendetwas zu erpressen – sei es zum Tragen von FFP2­Masken, sei es zum Lockdown, sei es zu einer Medikation oder Impfung. Was die Bevölkerung demokratiepolitisch tatsächlich aus freien Stücken mitgetragen hätte, wäre der Summe aller individuellen – wirklich freien – Entscheidungen entsprungen. Kein Mensch wäre gezwungen gewesen, sich auf Kosten der eigenen Integrität oder seiner körper­lichen Unversehrtheit dem Diktat fremder Willkür unterzuordnen.

Gesellschaft BGE

Wie das gewährleistet werden sollte, wenn doch auch in diesem Fall der Staat für die Gelderver­teilung zuständig wäre? ­ Indem sich die Bevöl­kerung als Souverän verhält (statt passiv darauf zu warten, dass ­ vielleicht ­ eines Tages die richtige Führung kommt, die ihr gnädigerweise ein menschenwürdiges Dasein zubilligt). Indem die Haltung „Die werden das schon für uns richten …“ durch die Selbstverständlichkeit eines aktiven Mit­gestaltens und einer bewussten Wahl in jeder Frage des Lebens ersetzt wird. Dafür bedarf es keiner Form von Gewalt, sondern lediglich mün­diger Menschen, die den Mut haben, die Ver­antwortung für ihre Entscheidungen selbst zu übernehmen. Kein Grundeinkommen und keine sonstige Verteilungspolitik der Welt kann (in Form von bloßer Geld­ und Ressourcenverteilung) Men­schen zu mündigen Individuen machen. Die Art der Verteilung kann immer nur den Rahmen für Ent­wicklung bieten. Der Prozess des Sich­-Entwickelns bleibt Aufgabe der Gesellschaft. Ein BGE würde in dem Zusammenhang lediglich mit der Perspek­tive aufwarten,  flächendeckend die freie Enftal­tung von individuellem Potential zu fördern (was in weiterer Folge eine Förderung und Stärkung des Kollektivs bedeuten könnte) und auch in puncto Entscheidungsfreiheit materielle bzw. sozialpolitische Hürden zu reduzieren.

Eine Grundeinkommensgesellschaft, die im Be­wusstsein lebt, dass sie ­ die Gesellschaft selbst ­ ihr eigenes Grundeinkommen ist, würde einen Missbrauch von Ressourcen oder Positionen von vornherein verunmöglichen. Sie bestünde nicht aus wenigen Tonangebern und vielen Followern, sondern funktionierte wie ein mentaler Allradan­trieb. Einzelne „Leithammel“ zu beeinflussen, um die ganze „Schar“ in die gewünschte Richtung zu treiben, würde auf dieser Basis grundsätzlich nicht funktionieren.

Text: CoKa

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