Bewusstsein Grundeinkommen Bildung

Leitartikel Autorenteam CoKa

von E.Bartsch
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Die Akademie BGE verbindet die beiden Themenfelder „Grundeinkommen“ und „Bildung“ aus gutem Grund. Dass viel dafür spricht, Bildung als einen Aspekt des Grundeinkommens zu betrachten, dürfte – zumindest für jene, die sich ernsthaft mit der Materie beschäftigen – nicht überraschen. Schafft doch erst der Zugang zu Bildung die Voraussetzungen für ein umfassendes Verständnis des Konzeptes Grundeinkommen.

Denn: Grundeinkommen bedeutet mehr als nur Geld, Kleidung, Essen und ein Dach über dem Kopf. Wenn das System „Grundeinkommen“ sich in seiner konstruktiven Ausdrucksform verwirklichen soll, dann darf dieser Begriff keinen gesellschaftlichen Zustand beschreiben, in dem es ausreicht, Menschen mit einer gewissen Ration an Lebensmitteln und Gütern für die täglichen Notwendigkeiten abzuspeisen – nur damit diese dann in althergebrachter Abgestumpftheit die geistige Trägheit auf ein neues Level heben. Dann nämlich wäre das Grundeinkommen nichts weiter, als eine hochgradig degenerierende Umsetzung des Kommunismus. Grundeinkommen aber – im Sinne des reinsten und lebensförderlichsten Ausdrucks dieser Idee – will die Gemeinschaft der Menschen und ihr kollektives Bewusstsein auf ein neues Level heben: Auf die Ebene der geistigen Unabhängigkeit, der Eigenverantwortlichkeit, der Inspiration, der Kreativität und des sinnerfüllten Zusammenwirkens.

Die Menschen unserer Zeit – also wir alle – sind innerhalb einer Atmosphäre geboren und aufgewachsen, in der „Erziehung“ und „Sozialisation“ in vielerlei Hinsicht das systemische Anerziehen von Angst bedeuten. Insbesondere gilt diese Angst eigenständigen Mindsets und jeder selbstermächtigenden Non-Konformität. Die eingefahrenen Geleise zu verlassen erfordert darum jede Menge Kraft und Mut – sowohl gedanklich als auch pragmatisch. Entgegen der weit verbreiteten Behauptung, das Ansinnen „Grundeinkommen“ sei gleichbedeutend mit einer Verherrlichung der Passivität und des Müßiggangs, ist gerade das Gegenteil der Fall: Bewusstsein Grundeinkommen bedeutet zu aller erst: Arbeit an sich selbst. Die Wertschätzung allen Lebens durch das Kollektiv sowie eine achtsame und bewusste Lebensführung aus freien Stücken sind die Voraussetzungen für ein Grundeinkommen, das beständig verfügbar bleiben soll. Ein solches Bewusstsein wiederum steht und fällt mit der Qualität der Bildung und der Art der zugänglichen Informationen.

Wettbewerb = Chancengleichheit?

Das bestehende Bildungssystem rechtfertigt das „Wetteifern als Motor“ damit, dass es ganz ausdrücklich der Konkurrenzkampf sei, dem wir so etwas wie Chancengleichheit verdanken. Doch wie angemessen erscheint diese Prämisse vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Lebensrealität? Wenn man der Geschichtsschreibung Glauben schenkt, soll ja der bürgerliche Leistungsgedanke tatsächlich ein revolutionäres Erwachen in Richtung Gleichberechtigung hervorgebracht haben.

Immerhin konnte mit Hilfe dieses Leistungsideals der Hoheitsanspruch eines arroganten Geblütsadels untergraben werden, der seinen privilegierten Status auf nichts weiter als seine Ahnenreihe stützte. Wäre dieses Ideal jedoch mehr als nur ein erster und unzulänglicher Schritt zugunsten größerer sozialer Fairness gewesen, hätte sich Chancengleichheit wohl längst etabliert – wovon keineswegs die Rede sein kann. Was also könnte innerhalb einer Gesellschaft, in der ganz offensichtlich nicht alle dieselben Chancen haben, gerade weil sie immer noch auf Wettkampf statt auf Kooperation ausgerichtet ist (und der Wettbewerb obendrein ein stark verzerrter ist), ein effektiver Schritt zugunsten der Chancengleichheit sein?

Chancengleichheit durch BGE

Richtig umgesetzt könnte das Grundeinkommen die ersehnte soziale Gerechtigkeit schaffen. Statt weiter so zu tun, als hätte bereits jeder dieselben Chancen – obwohl gemeinhin bekannt ist, dass das so nicht stimmt (weder sozial, noch kognitiv, noch hinsichtlich Talent, körperlicher Kraft, Gesundheitszustand etc.) – stünde dann jedem Bürger, egal von welcher Position aus er ins Leben startet, u. a. ein regelmäßiger Geldbetrag zur Deckung seiner Grundbedürfnisse zur Verfügung. So wäre sichergestellt, dass jeder Mensch von Geburt an und Zeit seines Lebens die Ressourcen und Freiräume zur Verfügung hat, um seine Kenntnisse und Fähigkeiten bestmöglich und immer weiter auszubauen.

Eine zweite wichtige Säule des Grundeinkommens besteht daher in der barrierefreien und uneingeschränkten Bereitstellung alles erfassten Wissens. Und zwar auf eine Art und Weise, in der sich Wissbegierige, die sich außerhalb von Schulen, Universitäten und Lehrplänen bewegen, nicht erst durch einen Dschungel aus wertlosen und unseriösen Informationen kämpfen müssen, um auf halbwegs brauchbare Inhalte zu stoßen. In einer mittlerweile durchdigitalisierten und bestens vernetzen Welt ist es kaum noch zu rechtfertigen, dass Menschen z.B. aus sozialen, finanziellen oder administrativen Gründen der Zugang zu hochwertiger Bildung verwehrt bleibt.

Für pädagogisch wertlose, süchtig machende Unterhaltungselektronik stehen ja scheinbar seit geraumer Zeit alle Gelder, Speichermedien und Energiequellen der Welt zur Verfügung. Warum aber kaum für die Nutzung zugunsten der Bildung? Seriöse, qualifizierte und fehlerfreie Informationsquellen vom Grundschulwissen bis zum Hochschulniveau könnten längst – und sogar ohne großen Aufwand – der Allgemeinheit zugänglich sein. Warum also sind sie es nicht?

Förderung der Bildungsnähe

So, wie die entsprechende Bildung das Bewusstsein Grundeinkommen fördern kann, trifft das auch umgekehrt zu: Die Umsetzung eines Grundeinkommens kann das Bewusstsein für Bildung stärken. Wenn Menschen über eine grundlegende materielle Stabilität verfügen, haben sie die Möglichkeit, sich ihren Interessen und Leidenschaften zu widmen und ihre Bildungsziele unabhängig zu verwirklichen. Sie können sich auf ihre persönliche und intellektuelle Entwicklung konzentrieren, anstatt ihre Ressourcen permanent für den Überlebenskampf oder die Realitätsflucht aufzubrauchen. Das Grundeinkommen schafft eine Umgebung, in der Bildung als eine wertvolle und lohnen­de Investition in die persönliche Entwicklung wahrgenommen wird.

Flexibilität auf dem Bildungsweg

Ein weiterer Vorteil des Grundeinkommens im Zusammenhang mit Bildung liegt in der Flexibilität und Individualität des Bildungswegs. Die Reduktion der Abhängigkeit von Lohnarbeitsverhältnissen eröffnet allen Bürgern an jedem Punkt ihres Lebens die Möglichkeit, neue Wege zu beschreiten – auch hinsichtlich der Bildung.

Alle sich entwickelnden Individuen (und jeder Bürger vom Kind bis zum Greis gehört dieser Gruppe an!) haben zu jeder Zeit die Möglichkeit, ihre Talente und Leidenschaften zu erkunden – sowohl im Rahmen eines Vollzeitstudiums, als auch auf alternativen Bildungswegen oder im Zuge von kreativen Projekten und sozialem Engagement. Schließlich unterstützt das Grundeinkommen die Idee, dass Bildung nicht nur in formalen Institutionen stattfindet, sondern auch außerhalb des klassischen Bildungsrahmens.

Steigerung des Bildungsniveaus

Erst ohne Existenzdruck im Nacken können Studierende es sich leisten, sich unter optimalen Bedingungen in ihre Studiengebiete zu vertiefen. Mit Hilfe eines Grundeinkommens können sich Lernende die Zeit nehmen, die sie für sehr gute Leistungen brauchen. Im Vordergrund steht dann nämlich nicht eine vorgegebene Zeitspanne, innerhalb derer eine Prüfung geschafft werden muss, sondern einzig die Qualität des erworbenen Wissens.

In anderen Worten: Es besteht kein Grund mehr, sich mit dem Leitmotiv „Hauptsache kein Nicht Genügend“ über Schwachstellen und Unsicherheiten hinwegzutrösten – man hat ja alle Zeit, die man braucht, um sein Wissen angemessen zu vertiefen. „Könnte das nicht eine Mentalität der ewigen Studentenschaft hervorbringen, in der niemand mehr die Ambition hat, jemals fertig zu werden?“, dürften sich kritische Geister dazu fragen. Zu beachten ist aber, dass der sozialpolitische Rahmen „Grundeinkommen“ dem Individuum von vornherein die Freiheit bietet, Wege aus eigener Motivation heraus zu beschreiten. So wird das „Vorwärtskommen müssen“ automatisch zum „Vorwärtskommen wollen“.

Auch wären Studierende aus der ethischen Zwickmühle erlöst, in ihren Forschungen einer – zuweilen zweifelhaft motivierten – „Opinio communis“ entsprechen zu müssen, um einen Abschluss zu schaffen, auf den sie ihre ganze Existenz gesetzt haben. Darüber hinaus müssten sich beruflich Unentschlossene, die zwar an einem passablen Gehalt, aber nicht ernsthaft an einem Studiengebiet oder Lehramt interessiert sind, nicht länger durch eine Hochschullaufbahn quälen. Als direkte Folge würden womöglich halbherzige Lehrkräfte und inkompetente „Experten“ bald der Vergangenheit angehören. Alle – auch diese – Menschen hätten aber eine sehr gute Grundversorgung und könnten mit ihrem Leben tun, was ihrer Wesensnatur, ihren Talenten und wahren Interessen entspricht.

Offene Fragen & Kritikpunkte

Zum einen wird im Bezug auf Grundeinkommen und Bildung immer wieder die Frage der Finanzierung debattiert. Natürlich bedarf es nachhaltiger Finanzierungsmodelle – nicht nur um sicherzustellen, dass das Grundeinkommen allen Bürgern zugänglich ist (und bleibt), sondern auch um die angemessene Bereitstellung von Bildungsressourcen zu gewährleisten.

Der heutige Stand der Technik wie auch das Modell Grundeinkommen selbst eröffnen aber – insbesondere im Hinblick auf Bildung – deutlich sinnvollere Perspektiven, als der Status Quo.

Demzufolge nämlich müssen beispielsweise Dozenten an Hochschulen vorerst noch darauf bedacht sein, dass die verfügbare Infrastruktur nicht optimal genutzt wird, statt bereitwillig an einem offeneren Zugang zu den von ihnen aufbereiteten Informationen mitzuwirken. Ansonsten wäre das Aufheben der Exklusivität eine unmittelbare Gefährdung der eigenen Existenzgrundlage.

Und das Bildungsniveau an unseren Regelschulen? – Hat einen historischen Tiefststand erreicht, der nur noch durch Statistikenkosmetik und ein immer absurder werdendes Benotungssystem aufgewertet werden kann. Das Interesse an Bildung per se scheint kaum noch vorhanden zu sein. Zusätzlich nimmt das, was nebenher über Medien und Unterhaltung auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene losgelassen wird, auch immer rohere und primitivere Züge an. Es ist also das bestehende System, das – obwohl es die Infrastruktur eines flächendeckenden Pflichtschulwesens vorweisen kann – Bildungsressourcen keineswegs angemessen bereitstellt. Weder im Rahmen der Bildungseinrichtungen, noch des Alltags.

Zum anderen stellt sich die Frage nach der Motivation zur Bildung. Kritiker argumentieren, dass das Grundeinkommen möglicherweise die Motivation verringert, eine formale Bildungslaufbahn einzuschlagen, da dann die finanziellen Anreize für den Arbeitsmarkt weniger relevant erscheinen.

Befürworter wiederum gehen davon aus, dass der Faktor „Motivation“ auf Dauer lediglich mit jenen Bildungs- und Arbeitsmodellen aufräumen würde, die von vornherein nur den Zweck hatten, das Konstrukt „Vollbeschäftigung“ durch künstliche Arbeitsplatzschaffung in seinen letzten Zuckungen zu beatmen.

Im Gegensatz dazu stellt der Grundeinkommensgedanke der eigenen Sache die folgenden drei Aufgaben: 1.) dem Individuum die höchstmögliche Entfaltungsfreiheit zukommen zu lassen, 2.) das Gelingen der gemeinschaftlichen Organisation trotz veränderter Parameter zu gewährleisten und 3.) dass systemische Handlungsstrategien nicht länger auf die künstliche Schaffung von Bedürfnissen und Arbeitsplätzen abzielen, sondern gewährleisten, dass a) die tatsächlichen Bedürfnisse von Mensch, Tier und Natur erfüllt werden und b) notwendige Arbeit so effizient wie möglich erledigt wird.

Die hierzu diskussionswürdige Frage besteht unserer Ansicht nach darin, wie die bestmögliche Organisation zur Erfüllung dieser Aufgabenstellung aussehen könnte und nicht die, ob eine solche möglich ist. Götz Werner (1944-1922), DM-Gründer und Grundeinkommensaktivist, hat es folgendermaßen formuliert: „Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe.“

Um jedoch auf die Frage der Anreize zurückzukommen: Die Motivation z.B. Kinder zu unterrichten, zählt definitiv nicht zu den Erfordernissen gerade jener Aufgabengebiete, deren Anreiz allein im Geld begründet ist! Lehren ist eine sinnstiftende Tätigkeit, die sozial veranlagten, gut organisierten und am Leben interessierten Menschen immer ein inhärentes Anliegen war und ist. Dass leidenschaftslose Lehrkräfte, die diesem Beruf – vorerst noch – rein aus Existenzgründen nachgehen (müssen), angesichts eines bedingungsfreien Grundeinkommens vermutlich ihr Lehramt niederlegen würden, zählt eher zu den Vorzügen, nicht zu den Nachteilen des BGE. Genau wie sich der Umstand, dass sich die erschreckend unreflektierte Selbstverständlichkeit, mit der Lehrkräfte aktuell dazu genötigt werden, sich für propagandistische Zwecke verwenden zu lassen, angesichts eines Grundeinkommens erübrigen würde.

Ähnlich steht es um die Motivation der Hochschuldozenten: Die Leidenschaft für Wissen und das Bedürfnis, es mit anderen zu teilen – am liebsten mit interessierten Zeitgenossen – braucht keine Erpressung als Anreiz. Ganz im Gegensatz natürlich zu einem Herunterleiern-Müssen von unter(!)richtender Propaganda, dem sich ohne solche „Anreize“ wohl kein gesunder Geist verschreiben würde. Fakt ist: Eine bedingungsfreie Grundversorgung würde es einer bedeutend größeren Anzahl von Menschen ermöglichen, sich ohne Existenzdruck einer akademischen Laufbahn zu widmen.

Fazit

Das bedingungsfreie Grundeinkommen fördert zweifelsfrei die Chancengleichheit und eröffnet neue Bildungsperspektiven. Es baut finanzielle Barrieren von vornherein ab, sodass sich Menschen ihren wahren Interessen und Talenten widmen können. Auch kann das Grundeinkommen ein neues Bewusstsein für Bildung als wichtige Investition in die persönliche Entwicklung schaffen.

Seine Auswirkungen auf die Bildung und die besten Implementierungsstrategien bleiben vorerst weiterhin Gegenstand von Diskussionen, Forschungsarbeiten und Experimenten. Dabei kann eine ganzheitliche Herangehensweise am ehesten sicherstellen, dass das Grundeinkommen zu einer gerechteren und endlich auch chancengleichen Bildungslandschaft beiträgt.

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Cookies scheinen irgendwie bedingungsfrei zu sein. Als Grundeinkommen wollen wir sie aber nicht! Ja, ja, alles wird gut ;-)