Barbara Prainsack ist Sachbuchautorin, sowie Universitätsprofessorin für vergleichende Politikwissenschaft an der Universität Wien, wo sie u.a. die Forschungsgruppe Zeitgenössische Solidaritätsstudien und die interdisziplinäre Forschungsplattform Governance of Digital Practices (Führungsweise digitaler Praktiken) leitet.
Barbara Prainsack ist zu dem Schluss gekommen, dass das Grundeinkommen nicht alle, aber einige unserer Probleme lösen kann. Unabhängig davon, ob man glaubt, dass Automatisierung und Digitalisierung mittel- oder langfristig mehr Jobs schaffen werden, als sie ersetzen, oder ob man fürchtet, dass damit Massenarbeitslosigkeit auf uns zukommt: Außer Frage steht, dass es für eine bestimmte Gruppe von Menschen immer schwieriger wird, von ihrem Einkommen zu leben.
Bei denen, die jetzt am Arbeitsmarkt wenig wert haben, ist es ja schon so, dass viele von ihrem Vollzeiteinkommen nicht mehr leben können. Denn es wird mittelfristig nicht für jeden mehr möglich sein, am Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Hier würde das Grundeinkommen das akute Problem lösen, dass sehr viele Menschen Hilfe brauchen, wenn sie ihren Job verlieren. Es würde aber auch, das ist sehr wichtig, ein Signal senden, dass es einen Vertrauensvorschuss gibt: Menschen bekommen dann Geld für das, was sie schon tun oder was sie gerne tun würden, wenn sie die Zeit dafür hätten.
Eine Form des Einkommens, losgelöst von der Erwerbsarbeit, wird es in Zukunft geben müssen. Barbara Prainsack äußerte ihre Überzeugung, dass so eine Systemreform „früher oder später kommen“ wird, auch wenn derzeit der politische Wille dazu fehlt. Die international ausgewiesene Expertin für Gesundheits-, Wissenschafts und Technologiepolitik und Beraterin u.a. der Europäischen Kommission führte dazu ethische und auch volkswirtschaftliche Argumente ins Treffen. Das Hauptbedenken gegen ein Grundeinkommen, nämlich dass dadurch viele Menschen zum Nichtstun motiviert wären, hält Prainsack für unbegründet.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist ohne Zweifel eine Schwester der Krise. Für Prainsack zeigt sich das schon in der Corona-Pandemie besonders deutlich. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und die zu geringe Effektivität der bestehenden Sozialsysteme sind starke Argumente, nach neuen Wegen zu suchen, mit dem Ziel, Teilhabe und Chancengleichheit möglichst für alle zu gewährleisten.
Die Frage, ob jeder Mensch ein Recht auf Subsistenz haben soll, also auf den für ein bescheidenes, aber würdiges Leben notwendigen Lebensunterhalt, sei somit sehr akut, nicht nur um Armut zu verringern, sondern auch weil dieser Anspruch auf Grundsicherung dann etwas Verbindendes wäre und alle in einem Land lebenden Menschen hätten Anspruch darauf, unabhängig von Alter, Erwerbsstatus und Vermögen.
Doch nicht alle bedingungslosen Geldzahlungen sind ein bedingungsfreies Grundeinkommen (BGE) im engeren Sinn. Um ein BGE im engeren Sinne handelt es sich dann, wenn vier Bedingungen erfüllt sind:
Erstens muss die Zahlung allen Menschen zustehen, die ihren Lebensmittelpunkt im Land haben. Dies kann man u. a. an den Nachweis binden, dass die Person in einem bestimmten Zeitraum in Österreich hauptgemeldet und auch mehr als die Hälfte der Zeit im Land war, etc.
Zweitens darf es, außer dem eben genannten Formalkriterium des Lebensmittelpunktes, keine Bedingungen geben, an die die Zahlung geknüpft ist. Man darf also das BGE nicht verlieren, wenn man mehr oder weniger Stunden Erwerbsarbeit leistet oder ein bestimmtes Alter oder eine Einkommensgrenze überschreitet.
Das dritte Kriterium ist der individuelle Anspruch: Ein BGE steht jeder einzelnen Person als Individuum zu und nicht etwa ganzen Haushalten.
Viertens muss das BGE existenzsichernd sein. Hier ist es sinnvoll, sich an der Armutsgefährdungsschwelle zu orientieren.
Die Menschen werden dann nicht von der Arbeit befreit, jedoch vom Zwang zu menschenunwürdiger, schlecht oder sogar kaum bezahlter Erwerbsarbeit! Wenn man davon ausgeht, dass Arbeit – und insbesondere auch Erwerbsarbeit – nicht nur Geld bringt, sondern auch soziale Kontakte, Wertschätzung, und idealerweise auch Sinn stiftet, dann gibt es keinen Grund, zu fürchten, dass in einer Gesellschaft mit BGE plötzlich nur noch alle in der Hängematte liegen.
Die Jobs, die keiner tun will, würden weiterhin getan werden – man müsste sie nur besser bezahlen und in vielen Fällen auch die Arbeitsbedingungen verbessern.
Buchtipp: Barbara Prainsack “Wofür wir arbeiten“