Es war sicher kein Meisterstück, wie unerfahrene Grundeinkommens-Aktivisten das Volksbegehren vom Mai 2022 zur „Einführung eines bedingungsfreien Grundeinkommens“ vorbereitet haben. Zur diesbezüglichen Vorgehensweise äußerten Teile der Grundeinkommensbewegung heftige Kritik, die allerdings konsequent ignoriert wurde. Das Resultat zeugt nun davon, dass diese Vorbehalte allzu berechtigt waren. Bleibt zu hoffen, dass künftig entsprechende Lehren daraus gezogen werden.
Zunächst war schon zuvor bekanntt, dass von sämtlichen österreichischen Volksbegehren nicht einmal eine handvoll zum erklärten Ziel geführt hat – oder auch nur eine faire und sinnvolle Diskussion bewirken konnte. Selbst die aufsehenerregendste Abstimmung (bezüglich der UNO-City, Anm.) stieß bei Politikern seinerzeit auf taube Ohren. Die gängige Handhabe rund um Volksbegehren in diesem Land zeichnet das Bild einer demokratisch fragwürdigen Handhabe, die den Schluss nahelegt, dass diese Plattform für die „Stimme des Volkes“ – wenn überhaupt – nur eine Alibi-Funktion hat. Selbst dann, wenn es zu einer parlamentarischen Diskussion kommt, wird – offensichtlich – von vornherein nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, dem Begehren stattzugeben.
So auch hinsichtlich der jüngsten Bürgerinitiative zum Grundeinkommen. Zugegebenermaßen spiegelte die Herangehensweise der Initiatoren eine Unerfahrenheit, von der kein bahnbrechendes Ergebnis zu erwarten war. Dennoch sieht unsere Gesetzgebung vor, dass die Thematik ab einer bestimmten Anzahl an Unterstützern politisch aufgegriffen werden muss. So wurde das Begehren – mehr oder weniger eloquent – von Politikern und sog. Experten diskutiert. Die erwähnten Unzulänglichkeiten der Organisatoren wurden jedoch durch den Gehalt der politischen „Diskussion“ an Halbherzigkeit und Dilettantismus bei weitem überboten. Manch einer würde diese Farce als glatte Verhöhnung eines Volksbegehrens bezeichnen, die auf keinen Fall unbeantwortet bleiben sollte.
Das auffallend gleichgeschaltete Narrativ unterschiedlicher Parlamentarier konnte kaum mit Argumenten aufwarten und wirkte reichlich undurchdacht. So manchem Kindergartenkind, das irgendwann einmal ein Gedichtchen auswendig lernen musste, gelang eine überzeugendere Performance als diesen Rednern. In der Tat konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sprecher aus unterschiedlichsten politischen Fraktionen mit nichts anderem aufwarten konnten, als mit dürftigen – offensichtlich abgesprochenen – Behauptungen ohne stichhaltige Grundlage. Leidenschaftsloser und geistesabwesender als das Muttertags-Gedicht aus dem Mund eines Vierjährigen leierte einer nach dem anderen nahezu dasselbe Sprüchlein herunter, wobei allen Ernstes auf Spickzettel zurückgegriffen werden musste, um während der kurzen und inhaltsleeren Wortmeldung nicht den Faden zu verlieren … Es gäbe eine Vielfalt an kreativen Umschreibungen für die besagten oratorischen Kreationen – bloß eine Bezeichnung trifft auf keine dieser politischen Stellungnahmen zu: nämlich die eines sachlichen Arguments. Vielmehr – wie bereits erwähnt – gab es eine Art Narrativ, bestehend aus nicht näher untermauerten Behauptungen.
Ein BGE ist gegen die Selbstbestimmtheit?
Die vordergründigste darunter lautete, dass ein Grundeinkommen einen „Verlust der Selbstbestimmtheit“ darstellen würde. Abgesehen davon, dass diese Aussage an sich widersinniger nicht sein könnte, lässt sich den herrschenden Zuständen entnehmen, wie groß das Interesse ebendieser Politik an der Aufrechterhaltung und Stärkung jeglicher „Selbstbestimmtheit“ tatsächlich ist: In den letzten Jahrzehnten wurden sukzessive unerfüllbare Auflagen aller Arten dazu verwendet, um so gut wie jede Form von Selbstbestimmtheit zu verunmöglichen. Bauernhöfe, Gaststätten, Jugendhäuser, Kultureinrichtungen u.v.m. wurden zu Tode reglementiert. Dörfer wurden kulturell, sozial und wirtschaftlich ausgehungert. Klein- und Mittelbetriebe haben kaum noch eine Chance zu überleben. Ganz zu schweigen von den Zwängen, auf denen unser System mittlerweile beruht – wie etwa dem innerparteilichen Klubzwang oder dem Bildungszwang, der scheinbar immer weniger auf „Bildung“, dafür immer mehr auf soziale Konditionierung abzielt.
Insbesondere in den letzten Jahren wurde zudem unverhohlen in Grund- und Freiheitsrechte eingegriffen. Das ging so weit, dass die freie Verfügung über den eigenen Körper kriminalisiert und Menschen das Recht auf die physische Unversehrtheit entzogen werden sollte. Und es endete keineswegs mit jenen Restriktionen, die durch den Ausnahmezustand „Corona“ gerechtfertigt werden wollten. Es geht weiter mit Restriktionen, die durch die Schlagworte „Klima“, „Energiekrise“ und „Krieg“ gerechtfertigt werden wollen. Ebenso „selbstbestimmt“ erscheint die ORF-Haushaltsabgabe, im Zuge derer nun über die Hintertür die freie Entscheidung einer Großzahl an Bürgern umgangen werden soll. Dazu kommen ungerechtfertigte Preiserhöhungen, die weiten Teilen der Bevölkerung zunehmend die Lebensgrundlage entziehen – während wenige Privilegierte rauschende Opernball-Nächte feiern oder die Bevölkerung offen verhöhnen, indem sie gegen die zunehmende Verarmung vorschlagen „dann eben nicht 10 Ballkleider zu kaufen, sondern nur drei“ … Soviel zur Gesinnung jener politischen Stimmen, die davon sprechen, dass ausgerechnet ein BGE die „Selbstbestimmtheit“ untergrabe.
Es ist unerklärlich, mit welchem Nachdruck eine Politik, die sowohl sozial als auch wirtschaftlich ständig Verschlechterungen herbeiführt, es durch dermaßen seichte Behauptungen (nicht einmal durch fundierte Argumente) bewerkstelligt, der Bevölkerung hartnäckig weiszumachen, dass gerade solche Maßnahmen, die das größte Potential hätten, sämtliche der Selbstbestimmtheit im Weg stehende Faktoren sofort aus dem Weg zu räumen, ausgerechnet für „uns“ (die Bevölkerung) „gefährlich“ wären. Wo es doch nur eine Interessenvertretung gibt, für die sich tatsächlich (allerdings berechtigterweise) Nachteile aus einem BGE ergeben würden – nämlich jene, die von der Unfreiheit anderer profitiert und davon partout nicht ablassen will. Jene Form der Grundsicherung, bei der die Bevormundung durch den Staat weiterhin ein Problem darstellen könnte, ist die an Bedingungen geknüpfte Grundsicherung (wie es sie bereits gibt). Sobald irgendeine Instanz mehr oder weniger willkürlich Bedingungen an die Grundversorgung des einzelnen Bürgers knüpfen kann, ist dieser auf Gedeih und Verderb auf das Gutdünken dieser Instanz angewiesen und kann keine (wirklich) freien Entscheidungen mehr treffen. Ein bedingungsfreies Grundeinkommen jedoch (und um ebendieses ging es schließlich in der Diskussion) kann unmöglich zu irgendeiner Form von eingeschränkter Selbstbestimmung führen. Hindert es doch niemanden daran, sich privat oder beruflich selbst zu verwirklichen oder sich ein höheres Einkommen zu verschaffen. Es verhindert lediglich, dass Menschen unter existenziellem Druck zu Entscheidungen genötigt werden können, die sie nicht treffen würden, wenn sie sich nicht dazu gezwungen sähen. So würde es z.B. verhindern, dass Menschen, die gerade keine Arbeit haben, (etwa durch das AMS) traktiert werden können oder kranke Menschen einem ständigen Rechtfertigungszwang unterliegen.
Ein BGE zerstört die Leistungsgesellschaft?
Das nächste haarsträubende Gedankenkonstrukt, das in diesen Stellungnahmen präsentiert wurde, war die Behauptung, das Grundeinkommen würde die Leistungsgesellschaft zerstören und verhindern, dass der Mensch sich in die Gesellschaft einbringen könne. Es dürfe nicht sein, dass die einen die Gesellschaft mit Fleiß aufrechterhielten, während andere nichts täten. So könne man keine solidarische Gemeinschaft aufrechterhalten.
Nun gut: Von welcher Leistungsgesellschaft ist hier die Rede? – Wird doch seit geraumer Zeit „Leistung“ nur noch damit gleichgesetzt, wie hoch die Summen sind, die abgestaubt werden – und kaum mit einer solidarischen Leistung zum Wohl der Allgemeinheit. Wir alle wissen, dass Managergehälter, Politiker-Gehälter, ORF-Gehälter, … unmäßig höher sind, als die Gehälter von Pflegepersonal, Bauarbeitern, Handwerkern etc. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Institutionen und Persönlichkeiten, die massiv dazu beitragen, die Armut und die Zwangslagen der mehrheitlichen Bevölkerung zu steigern, den bisherigen Wohlstand zu ruinieren und die Wirtschaft an die Wand zu fahren, vom herrschenden System nicht nur geschützt, sondern auch fürstlich belohnt werden – während Menschen, denen das Gemeinwohl tatsächlich am Herzen liegt, oft sogar bei der Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten Steine in den Weg gelegt werden.
Obendrein scheint die vermeintliche „Leistung“ der großen Absahner in keiner Weise an die Bedingung geknüpft zu sein, entsprechend konstruktive Ergebnisse zutage zu fördern oder sich für eventuell schädliche Konsequenzen tragender Entscheidungen verantwortlich zu zeigen. Ganz besonders in den Reihen der Spitzenverdiener und hochrangigen Verantwortungsträger scheinen Haftbarkeit und Leistungsbezogenheit kaum ein Thema zu sein – selbst wenn der angerichtete Schaden hunderttausende oder Millionen von Menschen betrifft und der Verdacht naheliegt, dass begangene Fehlentscheidungen wider besseres Wissen und bewusst gegen die Interessen der Bevölkerung gefällt wurden. Dennoch fragt in dieser Dimension niemand groß danach, welche Leistung die horrenden Gehälter und Provisionen rechtfertigt – solange nur der glücklose, kleine Selbständige, der – widerrechtlich – bis weit unter das Existenzminimum gepfändet wird, in dem Bewusstsein bleibt, seine ständige Erklärungsnot gegenüber Banken und Behörden beschriebe einen korrekten Vorgang. Astronomisch hohe Bezüge aber, die zu Lasten der Allgemeinheit gehen, während sie dieser Allgemeinheit in keiner Weise nützen, stehen scheinbar immer außer Frage – selbst wenn die Korruption, die sie begleitet, längst nicht mehr verheimlicht werden kann. Ein derart skrupelloses Berufsethos erfordert zweifelsfrei die entsprechenden Charaktere. Es sollte daher nicht weiter verwundern, dass diesen Menschenschlag keinerlei Schuldbewusstsein quält, während er die Verfassung unbehelligt mit Füßen tritt, demokratische Strukturen aushebelt, die Zukunftsperspektiven ganzer Generationen zerstört und horrende Geldsummen einfach verspekuliert. Die Frage „Wo war meine Leistung?“ stellt sich selten – und auch nur für die gelegentlichen Bauernopfer, mit denen das Ungerechtigkeitsgefühl des Pöbels beschwichtigt werden soll. – Ist das die „Leistungsgesellschaft“, um die hier händeringend gebangt wird?
Oder waren vielleicht die Banken gemeint, die bei Kreditvergaben – ihrerseits risikofrei – virtuelle Beträge gegen reale Sicherheiten (Häuser, Firmen) von Privatpersonen verbuchen, die diesen dann in vielen Fällen entzogen werden „müssen“ – und zwar keineswegs nur „virtuell“? Sind es ferner kriminelle Machenschaften, im Zuge derer Bürger ohne eigenes Verschulden enteignet werden – wie etwa bei der Commerzbank – die unsere Leistungsgesellschaft ausmachen? Sind es die fragwürdigen Praktiken von Versicherungen, die ihre Kunden über den Tisch ziehen? Sind es die Spekulationen und Manipulationen auf dem Aktienmarkt? Sind es die Firmen, die sich gesund stoßen, indem sie ihre Kunden betrügen? Ist es unser marodes Rechtssystem, dessen Vertreter mittlerweile keine Anstalten mehr machen, auch nur so zu tun, als wäre seine Grundlage immer noch die Verfassung? Ist es die Pharmaindustrie, die bei der Zulassung von Medikamenten schwindelt, um zu bewirken, dass wertlose, schädliche oder sogar tödliche Medikamente in Arztpraxen den Vorzug erhalten (müssen), während wirksame und nützliche Arzneien verboten werden – weil sie allzu günstig, verträglich und wirksam sind? – Ist das die „Leistungsgesellschaft“, die hier gemeint ist?
Oder geht es um jene Leistungsgesellschaft, in der Pensionisten, die ein Leben lang gearbeitet haben, die Mindestpension oder weniger erhalten? Geht es um die rund 500.000 arbeiteten Menschen, die trotz Mehrfach-Jobs kein Auskommen haben und ihr Leben in Armut fristen? Ist hier die Rede von den vielen Berufsgruppen – ob Selbständige, Arbeiter oder Angestellte – denen nicht einmal ein Zehntel des Gehalts zugestanden wird, das ein Parlamentarier einheimst, der in einem halbherzigen Vortrag über die Heiligkeit der Leistungsgesellschaft schwadroniert (oder auch gar keine Aussagen trifft und bedeutend weniger Zeit an seinem Arbeitsplatz verbringt als der durchschnittliche Bürger)? – Wie also sieht die Auffassung von „Leistungsgesellschaft“ aus, die diese Politiker vertreten? Kann das Wort „Leistungsgesellschaft“ wirklich eine Verteilung beschreiben, in der gerade solche Arbeiten, die einen echten Dienst am Allgemeinwohl darstellen, die echte Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit verlangen und die tatsächliche Arbeitsleistung erfordern, finanziell am allerwenigsten als „Leistung“ honoriert werden?
Sämtliche Politiker, die in Erscheinung getreten sind, um das Volksbegehren zum Grundeinkommen zu thematisieren, könnten sich gut und gerne in meischberger’scher Manier fragen: „Wo war meine Leistung?“ – Tja: Wo ist ihre Leistung? Alleine die Art ihres Vortrags zeigt eine beschämende Faulheit dahingehend, sich auch nur die geringste Mühe zu machen, überhaupt in die Thematik einzutauchen. Wenn man schon fest entschlossen ist, ein Volksbegehren politisch abzuschmettern oder Kontra zu geben, wäre es doch – für jemanden, dessen bestens bezahlter Beruf es ist, sich rhetorisch zu positionieren – das Mindeste, dass man zur nämlichen Debatte vorbereitet erscheint und sich wenigstens irgendwelche (!) Gedanken zur Argumentation der Befürworter gemacht hat. In keiner Weise jedoch wurde das Thema Grundeinkommen wirklich diskutiert. Vielmehr wurde das Volksbegehren in merklicher Voreingenommenheit und absolut eindimensional abgekanzelt. Kann das unbeholfene Gestammel einiger sichtlich desinteressierter Marionetten tatsächlich die Spitze jener Leistungsgesellschaft darstellen, die es so verbissen zu verteidigen gilt?
Ein BGE – Der falsche Weg für ein besseres Sozialsystem?
Das einhellige Fazit dieser merklich auf hochgradiger Expertise beruhenden Wortmeldungen lautete, dass man „das derzeitige Sozialsystem durchaus verbessern“ könne, ein Grundeinkommen jedoch „der falsche Weg“ sei. Die Handhabe des mutmaßlich „richtigen Weges“ lässt allerdings zu wünschen übrig. Nachdem Ihnen der „richtige Weg“ zur „Verbesserung des Sozialsystems“ eigenen Aussagen zufolge durchaus bekannt ist, verehrte Volksvertreter und -innen: Warum haben Sie bisher keine Anstalten gemacht, ihn umzusetzen? Warum verwenden Sie ihn nur als billige Ausrede, um dringend nötigende Neuerungen zu verhindern? Warum nimmt unter Ihrer Führung die Armut konstant zu, während die Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit des einfachen Bürgers immer weiter eingeengt werden? – Alleine, dass diese Frage dieser Tage ihre Berechtigung hat, spricht Bände darüber, wie weit es mit Ihren Bemühungen um eine „Verbesserung des Sozialsystems“ her ist. Und ebenso erklärt das, warum die Vertreter einer Politik, die keineswegs für soziale Gerechtigkeit steht, klarerweise gegen die Einführung eines BGE auftritt.
Wir von der Akademie BGE werden – im Gegensatz zu den Vertretern einer derart menschenverachtenden und zynischen Politik – nicht müde werden, uns für eine Gesellschaft starkzumachen, in der soziale Gerechtigkeit keine Utopie mehr ist. Wir wünschen uns für künftige Generationen ein Leben in Wohlstand und Frieden, in dem echte Selbstbestimmtheit nicht nur vereinzelt möglich, sondern eine Selbstverständlichkeit für alle geworden ist. Wir stehen für eine Gesellschaft, deren Menschenbild jedem Individuum seinen Wert und seine Würde zugesteht – ohne Bedingungen. Wir stehen für Dörfer und Städte, in denen sozial, kulturell und wirtschaftlich wieder Leben herrscht. Wir stehen für eine Gesellschaft, die derart soliden Wohlstand und soziale Sicherheit bietet, dass spaltende Absichten, Kriegstreiberei, Korruption und ein Wirtschaften auf der Basis von Zwangslagen und künstlichem Mangel keine Chance mehr haben.