Wer geht denn dann noch arbeiten?

Text: CoKa

von E.Bartsch
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Diese Frage ist eine der häufigsten, so­bald es um das Schlagwort „Grund­einkommen“ geht. Angesichts der Tat­sache, dass der Freiwilligendienst in Österreich nahezu 50 % der menschlichen Arbeitsleistung ausmacht und dabei dem Allgemeinwohl mehr nützt als so manche Lohnarbeit, wirkt dieser Ein­wand geradezu absurd.

Dienst an der Familie

Die Palette an Tätigkeiten, die der Freiwilligen­dienst abdeckt, ist riesengroß. Darüber hinaus wird jede Menge unentgeltliche Arbeit verrichtet, die gar nicht erst als solche zur Kenntnis ge­nommen wird – wie etwa das Engagement einer Mutter. Ihre Rolle – um nur ein Beispiel zu nennen – zählt zu den wichtigsten Grundpfeilern einer funktionierenden Gesellschaft.

Aktuelle politische Bestrebungen, künftigen Generationen jeden Bezug zum Begriff „Mutter“ zu nehmen, gehen Hand in Hand mit dem offensichtlichen Zerbröckeln derselben. Statt Frauen, die gut für ihre Kinder sorgen, den Rücken zu stärken, wird Mutterschaft (= eine durch Fürsorge, Anteil­nahme und Nähe gekennzeichnete Beziehung zum eigenen Kind) von einer menschen­- und familienfeindlichen Politik als Störfaktor abge­kanzelt. Die moderne Frau, die sich für Kinder entschieden hat, darf nur in zweiter Instanz „Mutter“ sein.

Priorität muss – so stumpfsinnig kann der dafür abverlangte Beitrag gar nicht sein – die Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt haben. Inwiefern sich das Gros der arbeitenden Mütter dabei im heiß ersehnten Traumjob selbst ver­wirklicht, oder doch eher als schlecht bezahlte Hilfskraft von ihren Kindern ferngehalten wird, bleibt dahingestellt. Dass eine Mutter zum Teil arbeiten geht, um die Fremdbetreuung ihrer Kin­der finanziell stemmen zu können, ist jedenfalls kurios.

Engagement und Motivation

Auch abseits vom unentgeltlichen Dienst an der Familie – die nicht ohne Grund als „Keimzelle des Staates“ bezeichnet wird – weiß man, dass Bezahlung kein Hauptantrieb für ein bereitwilli­ges Mitwirken am Arbeitsmarkt sein muss. Viel wichtiger als Geld ist den meisten Menschen der Sinn in ihrem Tun, persönliche Anerkennung und Erfüllung. Psychologen haben längst herausge­funden, dass sinn­- und wertlose Arbeiten bei guter Bezahlung Menschen mehr frustrieren, als beispielsweise schlechte Entlohnung für eine Tätigkeit, die sie wirklich interessiert oder der sie Wichtigkeit beimessen.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass im Rahmen einer Arbeitswelt, die sukzessive jedes Sinn-­Empfinden vermissen lässt, die allgemeine Lebensqualität immer weiter sinkt: Perspektiven­verlust, fehlende Lebensfreude, depressive Lei­den bis hin zum Suizid sind die Folgen – und das in einer ausgewiesenen Wohlstandsgesell­schaft. (Dass diese mittlerweile großen Ehrgeiz zeigt, sich selbst zu demontieren, kommt neuer­ dings bloß erschwerend hinzu, Anm.)

Der Mühe Lohn …

Obendrein realisieren immer mehr Menschen, dass das Ausmaß an Zeit und Energie, das ihnen die Lohnarbeit abverlangt, in keinem Ver­hältnis zu der mageren Pension steht, die sie später erwartet.

„Große Leistung – große Pension“ sind die Schlagwörter, die den Status Quo rechtfertigen wollen. Dafür opfert man sein Familienleben, stellt die eigenen Belange stets zurück, verzich­tet auf Tätigkeiten, die zwar Erfüllung schenken, am Arbeitsmarkt aber nicht honoriert werden … Doch die Wahrheit sieht anders aus.

Wie viele Menschen gehen ein Leben lang ar­beiten und werden am Ende doch mit einer Min­destpension abgespeist? Zu spät setzt man sich mit den naheliegenden Fragen auseinander: „Und dafür habe ich mein Leben lang Überstun­den geschoben? Um jetzt ständig in Exis­tenzangst zu leben?“ „Ist das wirklich alles, was von einem arbeitsreichen Leben bleibt?“

Unverblümt spricht selbst Millionenerbin Mar­lene Engelhorn die harten Fakten aus: „Es ist eine Lüge, dass Arbeit reich macht!“ ­ – Vor diesem Hintergrund wirkt die Prämisse vom Erfolgsrezept der „tüchtigen Arbeit“ wie die berühmte Karotte vor der Nase des Esels: Das Objekt der Begierde vor Augen bewegt er sich in eine fremdbestimmte Richtung, ohne das in Aus­sicht Gestellte jemals zu erreichen. Trotz des guten Dienstes, den das Lasttier seinem Herren dabei leistet, heißt der Dank am Ende des Weges nicht „Gnadenhof“ – sondern „Schlacht­haus“.

Perspektiven?

Die Kinder von heute sind gute Beobachter. Auch, wenn sie es nicht immer detailliert be­nennen können, nehmen sie die Perspektivlosig­keit ihrer Umgebung sehr wohl wahr. Vielleicht artikulieren sie nicht wörtlich: „Warum sollte ich acht Jahre Bildungszwang über mich ergehen lassen, ohne jemals zu lernen, wie man ein glückliches und kreatives Leben als mündiger Bürger führt?“

Dass sie aber großteils von be­ziehungsgestörten, rückgratlosen und unglückli­chen Erwachsenen umgeben sind, die selbst­ gefällig über „Pflichten und Wertigkeiten“ schwa­dronieren, während sie ihrerseits ihr Leben kaum verantwortungsloser und inhaltsleerer ge­stalten könnten, rächt sich dennoch. Wenn sol­che Vorbilder Heranwachsenden als Maßstab für ein sinnvolles und faires Miteinander dienen sol­len, ist die wachsende Teilnahmslosigkeit an ebendiesen Pflichten und Werten wenig verwun­derlich.

Als ein Vater seinen Sohn einmal fragte, warum er nicht arbeiten ginge, entgegnete dieser schmerzhaft treffsicher: „Ich schufte mich doch nicht kaputt, nur um – so wie Du – in der Alters­armut zu stranden. Das kann ich sehr viel stressfreier erreichen, ohne mir mein Leben stehlen zu lassen.“

Wer geht dann noch arbeiten?

Es ist interessant, dass das Thema „Grundein­kommen“ allerorts wie auf Knopfdruck die Frage provoziert, welche Anreize denn dann blieben, überhaupt noch arbeiten zu gehen.

Kaum jemand fragt danach, warum man eigent­lich unter den gegenwärtigen Bedingungen ar­beiten gehen sollte – wo sich die „Anreize“ doch mehr als dürftig gestalten … Wir leben in einer Gesellschaft, die sich an ein verächtliches Men­schenbild gewöhnt hat – und vielleicht sogar vergessen hat, dass es in der Tat Menschen sind, aus denen eine Gesellschaft besteht. Voller Misstrauen gegenüber unserem Nächsten sind wir darum besorgt, dass Zwangslagen für jeder­mann bestehen bleiben – auf dass die Welt nur nicht im Chaos versinke.

Nichtsdestotrotz ver­sinken wir gerade im Chaos, hinterfragen aber den Nährboden für unsere Lage nicht. Wir be­lassen es dabei, auf die „Dummheit“, die „Inkompetenz“ oder den „Zynismus“ irgend­welcher Politiker zu schimpfen. Die Beschaffen­heit unseres Systems, das ebenso für die gängige Art der „Volksvertretung“ verantwortlich ist, wie es von sozialer Ungerechtigkeit und von Zugzwang lebt, beanstanden wir aber nicht.

Die Würde des Menschen

Warum also schaffen es unsere vermeintlich aufgeklärten Geister nicht, auch nur den Ge­danken daran zu ertragen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und der eigene Wert nicht „verdient“ werden kann? Gibt es denn einen höheren und würdigeren Daseinszweck, als ein freies, glückliches und erfülltes Sein?

Warum brauchen wir immer ein zwanghaftes Regelwerk, das uns zu seelenlosen Werkzeugen oder hohlen Platzhaltern degradiert, damit wir das Gefühl haben, „wertvoll“ zu sein? Wäre es nicht höchst an der Zeit, dem Men­schen und seiner wahren Natur einen angemes­senen Platz in der Struktur seines Lebens einzuräumen?

Die Frage sollte nicht lauten „Wie kann man jeden Menschen zu ‚irgendeiner‘ Be­schäftigung zwingen?“, sondern „Wie kann man das Pensum an Pflichtarbeit auf das Notwendige minimieren, dieses Pensum gerecht aufteilen und dabei die beste Versorgung für jeden Men­schen gewährleisten?“ Und: „Wie können wir es jedem Menschen darüber hinaus ermöglichen, sein Potential frei zu entfalten?“

Arbeit sollte keine Geisel sein, sondern ein sinnstiftender und erfüllender Bestandteil des Lebens, der ebenso zum Grundeinkommen gehört wie die arbeitsun­abhängige Grundversorgung.

Lassen wir nicht länger zu, dass dringend not­wendige Entwicklungsschritte grundlos auf­gehalten werden! Lassen wir uns nicht länger einreden, dass es die Gemeinschaft der Men­schen sei, auf die sich ein Grundeinkommen nachteilig auswirken könnte, wenn die einzigen Interessenvertretungen, denen dadurch wirklich etwas entzogen würde, jene sind, die Macht bisher für egoistische Zwecke missbraucht und sie vorsätzlich gegen die Interessen der Mehrheit eingesetzt haben!

Lassen wir nicht zu, dass unsere gemeinschaftliche Lebensqualität weiter­hin an letzter Stelle steht! Lassen wir nicht zu, dass die Gier einiger weniger sogar die be­reits erkämpften Errungenschaften der Sozial­staatlichkeit wieder zerstört! Rückschritte in der Verteilungsfrage sind – auf lange Sicht – gleich­bedeutend mit flächendeckender Verarmung, steigender Kriminalität, sozialen Spannungen, einem dauerhaften Krisenmodus und einer wachsenden Wahrscheinlichkeit für Krieg im eigenen Land.

Grundeinkommen, der Schritt in die Freiheit!

Fazit

Ein BGE würde allen Szenarien dieser Art von vornherein entgegenwirken. Darüber hinaus würde ein BGE eine neue und konstruktive Ar­beitswelt und ­-mentalität ermöglichen, im Zuge derer jeder Mensch die optimalen Rahmenbedin­gungen vorfände, um der Welt die bestmögliche Version seiner selbst zum Geschenk zu machen!

Nichts Geringeres als das nennen wir von der Akademie BGE sozial!

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